Sind Wirtschaft und Humanismus kompatibel?

„Eine Kooperation von Schule und Bank, das hätte früher etliche entrüstet auf die Barrikaden gebracht,“ kommentiert der Kölner Stadt-Anzeiger anläßlich der feierlichen Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim am 5.11.2002. „Doch seit einigen Jahren fahren Schulen wie Unternehmen einen guten KURS der wertfreieren, unvoreingenommeneren Annäherung.“

Diesen Brückenschlag zwischen Tradition und Innovation vollzieht das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium gegeinsam mit seinem Kooperationspartner Sal. Oppenheim. Beide sind unverwechselbare Institutionen Kölns, sie sind aus Köln nicht wegzudenken. Seit 1798 ist Oppenheim in Köln ansässig und die Privatbank Kölns geworden; seit 1825 gibt es das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und es das humanistische Gymnasium und zugleich eines der renomiertesten Gymnasien Kölns geworden.

„Tradition soll ein Sprungbrett sein und kein Ruhekissen!“ Das fordert Dr. Jansen in seiner wohlgeformten Festansprache in der gut gefüllten Aula: „Das Gefühl, Teil einer Tradition zu sein, vermittelt nicht nur geschichtliches Verständnis, sondern ruft auch auf zur Verantwortung für die Gegenwart und für die Zukunft.“ Weiter greift der Leiter des humanistisch geprägten Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums Kritiker-Stimmen auf und erläutert, dass ein als „Feiertagskultur“ verstandener Humanismus, der sich zu gut ist für die Dimension des alltäglich Gelebten, wie Wirtschaft und Politik, mit dem humanistischen Bildungskonzept, das am FWG vertreten wird, nicht zu vereinbaren ist. Ein künstlicher Trennungsstrich zwischen Humanität und beruflicher Existenz führe letztendlich nur zu einer lebensfernen Bildung sowie Missachtung der Berufs- und Arbeitswelt.

Wenn Christopher von Oppenheim sich an seine Schulzeit am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium von 1975 bis 1984 erinnert, dann fallen ihm unter anderem viele Ideologie-Debatten über Kapitalismus und Wirtschaft ein, Auseinandersetzungen über RAF-Terror und die Stollwerck-Besetzung. Am humanistisch orientierten FWG habe immer der Geist der Aufgeschlossenheit geherrscht. Aber die Rolle des Kapitals im Wirtschaftsleben werde heute „viel wertfreier“ gesehen als damals, weiß der Mitinhaber des traditionsreichen Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim – und freut sich, dass seine ehemalige Schule und die Bank näher zusammenrücken.

Ob in Politik, Religion, Sowi oder Mathe, die FWG-ler haben nun quer durch alle Fächer und Stufen die Gelegenheit, hinter die Kulissen der Bank zu blicken und von den Finanzexperten aus erster Hand mehr über Aktienmärkte, Geldpolitik, ethische Fragen in der Wirtschaft, Datenbanken oder das Sammeln von Kunst (nicht nur als Wertanlage) zu erfahren. Praktikumsplätze für Schüler werden vermittelt, Recherchen im Bankarchiv ermöglicht, Bewerbungsgespräche trainiert. Auch Lehrer können sich dort weiterbilden.

Dass Aufgeschlossenheit und Innovation am FWG gelebte Werte sind, konnten die Gäste des Festakts hautnah erleben durch eine Einlage von Schauspielschülern des Theaters „Der Keller“, mit dem die Schule eine Kooperation zum Konzept des ganzheitlichen Lernen unterhält. Passend zum Thema inszenierten sie eine Interpretation von Ludwig van Beethovens Arie des Rocco aus „Fidelio“: „Hat man nicht auch Gold beineben“ – hervorragend begleitet vom FWG-Musikforum.

Ein guter Beleg für die Öffnung von Schule auch in Richtung Wirtschaft sei das IHK-Modell „KURS“, lobte Schuldezernent Andreas Henseler das Engagement der Kölner Industrie- und Handelskammer.

Hier kann KURS Köln – nicht ohne Stolz – behaupten, Richtungsgeber zu sein für eine positive Beeinflussung der Bildungslandschaft. Wenn Kritiker wie Nachahmer des Partnerschaftskon-zeptes sich bemühen, immer wieder festzustellen, dass sich im KURS-Netz hauptsächlich Gymnasien befinden, so wird hierbei gern übersehen, dass es sich bei den aufgebauten Lernpartnerschaften um Vorreiter für ein innovatives Konzept handelt. Und genau das bedarf es, um das bildungspolitische Feld in dieser Hinsicht beackern und fruchtbar machen zu können. Die fortlaufende Evaluation macht deutlich, dass sich – angesichts einer Vorurteils-behafteten Sichtweise von Schule gegenüber der Wirtschaft (wie auch anders herum) – allein über die überaus gute Erfahrung über Jahre hinweg aufzeigen lässt, dass sich das Engagement lohnt, sich zu öffnen und an einigen Stellen umzudenken!